Interview | Bauberater Christoph Zeller und Bernd Schröder über behagliche Räume
Christoph Zeller und Bernd Schröder arbeiten beim Ziegelwerk JUWÖ Poroton als Bauberater. Zu ihrer Kundschaft gehören Bauherren, Architekten, Statikbüros, Behörden und Baugenossenschaften. Sie machen Planungen von der Garage über das Einfamilienhaus bis zu großen Wohneinheiten. Im Interview mit Bauen mit Ziegel berichten sie von der Geschichte des Ziegels, regionalen Unterschieden und wie behagliche Räume aus Sicht von Bauplanern entstehen.

Worauf achten Sie als Bauberater bei Anfragen?
Christoph Zeller (CZ): Wir schauen uns immer die individuelle Fragestellung des Projektes an. Die Fragen gehen aber fast immer in dieselbe Richtung: Haben Sie einen Vorschlag, wie wir ein bestimmtes energetisches Niveau erreichen können? Mit welchem Produkt können wir erhöhte Anforderungen an Lärmschutz erfüllen? Wir machen dann eine Schall- und Wärmeschutzberechnung. Je nach Gebäudetyp machen wir daraufhin eine Produktempfehlung.
Bernd Schröder (BS): Bei unseren Schulungen für Auszubildende oder Studierende sagen wir immer: Es gibt fünf Hauptkriterien. Die meisten denken nur an die Wärmedämmung, ein paar noch an den Schallschutz. Eher weniger werden der Brandschutz und die Statik bedacht. Und zuletzt muss man sich die Frage stellen, ob das alles überhaupt wirtschaftlich umsetzbar ist. Es muss letztendlich zum Kunden passen.
CZ: Es ist ein Puzzle aus diesen fünf Bereichen – und das muss man dann den Kunden erklären. Manche haben von einem günstigen Stein für ein Einfamilienhaus gehört und wollen den dann für das Mehrfamilienhaus nutzen. Dort bringt er aber nicht den benötigten erhöhten Schallschutz.
Ein passender Schallschutz trägt enorm zum Wohlbefinden in den eigenen vier Wänden bei. Wie erreicht man diesen?
CZ: Angelehnt an das Gedicht vom Wilhelm Busch kann man sagen: „Schall wird oft nicht schön gefunden, weil er stets mit Geräusch verbunden.“ Der bauliche Schallschutz ist eine Planungsleistung, die das Wohlbefinden der Bewohner maßgeblich beeinflusst, trotzdem wird er oft unterschätzt. Nur durch schalldämmtechnische optimierte Produkte an der Außenwand, passende Trennwände und einem rechnerischen Nachweis sind diese Anforderungen umzusetzen.
Mindestschallschutz und erhöhter Schallschutz sind in der DIN 4109 festgeschrieben. Beides ist mit Ziegelwänden erreichbar. Heute wird allerdings nicht mehr nur das Trennbauteil, sondern der gesamte Raum individuell betrachtet. Deshalb machen wir für jedes Objekt eine eigene Schallschutzberechnung.

Was gehört aus Ihrer Sicht noch zu einem guten Raumgefühl?
BS: Der wichtigste Punkt für ein gutes Raumgefühl ist die Wärmedämmung. Das bedeutet: Die Temperatur an der Wand entspricht möglichst der Raumtemperatur. Wenn ich nah an einem schlecht isolierten Fenster stehe, wird es merklich kälter. An einer hochwärmegedämmten Wand ist eine sehr geringe Temperaturdifferenz. Das schafft Behaglichkeit.
CZ: In dem Zusammenhang wird viel über den U-Wert geredet – aber auch im Sommer spielt Temperatur eine Rolle. Hier brauche ich einen Wärmeschutz. Den bietet monolithisches Mauerwerk. Das spürt man zum Beispiel in alten Burgen, in denen es auch im Sommer immer schön kühl ist.
Wie schafft Mauerwerk das?
CZ: Es kommt dabei auf die Speicherfähigkeit der Wand an. Technisch nennen wir das Phänomen Phasenverschiebung: Diese bezeichnet den Zeitraum zwischen dem Auftreten der höchsten Temperatur auf der Außenoberfläche eines Bauteils bis zum Erreichen der höchsten Temperatur auf dessen Innenfläche. Bei einer 36,5 Zentimeter dicken Ziegelwand braucht die Hitze, die von außen auf die Wand trifft, länger, um an der Innenseite anzukommen. Die Ziegel sind genau so ausjustiert, dass die Wärme erst in den kühleren Nachtstunden an der Innenseite ankommt, wenn man schon wieder die Fenster für kühlere Luft öffnen kann.
Leider muss man sagen, dass viele Architekten oft keinen Fokus auf sommerlichen Wärmeschutz legen. Deswegen werden oft dünne Wände mit einer guten Dämmung für die Wintermonate gebaut. Im Sommer werden die Innenräume dann allerdings sehr heiß.
BS: Bei der Überhitzung kommt es auch stark auf andere Faktoren in der Architektur an, wie die Fenster und deren Verschattung. Eine Innenjalousie hält zum Beispiel nur zehn Prozent so viel Wärme ab wie eine Außenjalousie. Wenn die Sonnenstrahlen erstmal das Glas erwärmt haben, ist es schwer, sie draußen zu halten.
CZ: Insgesamt kann man also sagen: Für Behaglichkeit brauchen wir möglichst geringe Temperaturschwankungen im Inneren bei großen Temperaturschwankungen außen, damit es auch bei Minusgraden oder 35 Grad draußen angenehm in den Räumen ist.
Was sind ideale Temperaturen für die Innenräumen?
CZ: Dafür gibt es unterschiedliche Ansätze und ist auch vom individuellen Empfinden abhängig. Die Energiesparverordnung rechnet mit 19 Grad als Untergrenze und mit 26 Grad als Höchsttemperatur im Sommer.

Sie sagten, die Temperatur ist nur EIN Aspekt für ein gutes Raumgefühl. Was gehört noch dazu?
BS: Der zweitwichtigste Faktor ist der Feuchtigkeitsausgleich. Feuchtigkeit im Raum wird von den äußeren Schichten aufgenommen, das heißt, der Austausch spielt sich in den ersten Zentimetern der Wand ab: der Farbe, dem Putz und dem dahinter liegenden Baustoff. Hier hat der Ziegel eine ausgleichende Wirkung.
CZ: Daher kommt auch der landläufige Spruch: Ziegel atmet.
BS: Für uns Ingenieure ist das natürlich falsch, eine Ziegelwand atmet selbstverständlich nicht Luft ein und aus, da die Wand luftdicht sein muss, aber für den Laien ist das eine gute Bezeichnung für das Prinzip des Feuchtigkeitsausgleichs.
Ein Luftaustausch findet bei dieser „Atmung“ also nicht statt?
BS: In der Energiesparverordnung gibt es die Vorschrift, dass alle Außenbauteile luftdicht sein müssen, damit keine warme Luft rausgeht und keine kalte Luft rein kann. Die verputzten Wände sind dabei gar nicht das Problem …
CZ: Wie sagt man so schön: „Putz und Streich macht alles gleich.”
BS: Der Knackpunkt sind vielmehr die Anschlusspunkte zwischen Wand und Dach und Wand und Fenstern. Wenn die nicht dauerhaft winddicht sind, kann es sein, dass man um das Fünffache heizen muss. Statt ungewolltem Durchzug sollen die Fenster aufgemacht werden, wenn man Lüftung braucht und möchte.
„Ziegel werden komplett trocken an die Baustelle geliefert. Auch wenn sie nass werden, trocknen sie aufgrund ihrer Kapillarität viermal so schnell wie andere Baustoffe.“
––– Christoph Zeller
Wie kann man sich die Atmung dann vorstellen?
CZ: Hier ist der Begriff der Kapillarität der Ziegel zu nennen. Ziegel haben eine Kapillarstruktur, also ein dichtes Netz an kleinen Hohlräumen.
BS: Beim Trocken und Brennen von Ton tritt Wasser aus. Dabei entstehen so feine Kanäle, dass man sie gar nicht sieht. Die sind enorm wichtig für den Feuchteausgleich. Der Effekt wird weiter verstärkt, durch die Zugabe von Papierfasern oder Styropor. Winzige Papierfasern, die zu kurz für die Papierherstellung sind, fallen in der einen Branche als Abfall an und können in unserer Branche dem Rohmaterial beigemischt werden. Die Leerräume, die beim Verbrennen entstehen, verstärken nochmal den Effekt, machen den Ziegel noch poröser und noch besser für den Wassertransport geeignet.
CZ: Diese Kapillarstruktur ist ein großer Unterschied zum Beispiel gegenüber dem Porenbeton: Durch das enge Netz an Kanälen wird Wasser viel schneller nach außen transportiert und kann viel schneller trocknen. Ziegel werden komplett trocken an die Baustelle geliefert, selbst wenn sie während der Bauzeit Wasser abkriegen, werden sie nie so nass wie andere Baustoffe, die mit Bindemitteln wie Zement gefertigt sind und bereits produktionsbedingt feucht sind. Nach dem Bau dauert es bei Ziegelwänden etwa ein Jahr zum kompletten Austrocknen, andere Wände brauchen eher drei bis vier Jahre.
BS: Das merkt man sofort, wenn man sich in Musterhäusern aufhält. Wenn es nicht komplett trocken ist, liegt ein leicht muffiger Geruch in der Luft. Dazu kommt auch: Je mehr Feuchte in der Wand, desto schlechter die Wärmedämmung.

Beim Thema Feuchtigkeit denkt man direkt auch an Schimmelbildung ...
CZ: Ja, der Feuchteschutz hängt mit Schimmelbildung zusammen. Früher war das ein größeres Thema, in Altbauten geht Schimmelbildung recht schnell. Bei heutigen Standards muss man sich fast anstrengen, Schimmel zu erzeugen.
BS: Zum Beispiel Wäsche in den Innenräumen trocknen, ohne ausreichend zu lüften.
Was ist dran an der Schadstoffarmut des Ziegels?
BS: Für unseren Arbeitsalltag ist die Schadstoffarmut des Ziegels eher ein Soft Skill. Der Ton, der über Jahrmillionen entstanden ist, ist mittlerweile komplett sauber: Da ist nichts Biologisches mehr drin und da sind auch keine Schadstoffe drin – wo sollten Sie auch herkommen? Das ist der Inbegriff von Mutter Erde.
CZ: Unser Chef hat unseren Ton mal von Fresenius untersuchen lassen. Das ausgestellte Zeugnis hat bescheinigt, dass er als Heilerde genutzt werden könnte.
Sie erwähnten bei Ihrer Bauplanung auch den Brandschutz – ist Ziegel nicht sowieso unbrennbar?
BS: Der Ziegel ist schon bei 900 Grad durchs Feuer gegangen. Deswegen ist er beständig gegen Feuer. Allerdings gibt es in den Landesbauordnungen Gebäudeklassen, für die bestimmte Auflagen gelten. Alle Produkte müssen für den jeweiligen Gebäudetyp geprüft werden. Deshalb kann es immer mal sein, dass für ein bestimmtes Produkt – zum Beispiel, weil es ganz neu ist – noch keine solche Prüfung stattgefunden hat.
War Ziegel schon immer so optimal für ein gutes Raumgefühl geeignet?
BS: Ich erinnere mich, dass Mitte der 60er-Jahre eine echte Aufbruchsstimmung in der Branche herrschte. Der schwedische Ingenieur Sven Fernhof hat 1958 mit dem Beimischen der kleinen Styropormöglichkeiten nicht nur eine Möglichkeit gefunden, den Feuchteausgleich zu verstärken, sondern auch, den Ziegel leichter zu machen und vor allem für eine bessere Wärmedämmung zu sorgen.
CZ: 1974 wurde die Bezeichnung POROTON als sogenanntes Warenzeichen für den Verband der POROTON-Hersteller eingetragen. Werke, die keine Poroton-Lizenzen erworben hatten, haben sich in anderen Verbänden zusammengeschlossen. In dieser Zeit hat der Ziegel einen richtigen Innovationsschub bekommen. Wärmedämmtechnisch gibt es in Deutschland seitdem die besten Ziegel, die gleichzeitig die größten Lasten tragen können.
Gibt es da große regionale Unterschiede und woher kommen diese?
CZ: Bei uns in Deutschland und auch noch in Österreich und der Schweiz ist eine Wanddicke von 36,5 oder 42,5 Zentimeter Standard. Wenn man über die Grenze nach Frankreich fährt, ist es direkt anders. Dort sind 20er-Wände der Standard, die dann eine Innendämmung mit Rigipsplatte kriegen. Da schlagen wir hier die Hände über dem Kopf zusammen: wenig Speichermasse, wenig Temperaturausgleich, wenig Feuchteausgleich.
BS: In wärmeren Regionen des Mittelmeerraums ist eine so hohe Wärmedämmung wie bei uns auch gar nicht notwendig. In Portugal ist es zum Beispiel nicht üblich, überhaupt eine Heizung im Haus zu haben. Dort sieht man häufig eine Stahlbetonskelettbauweise, die Langlochziegel in der Fassade haben dann keine tragende Funktion.
CZ: Das meiste ist einfach regional gewachsen. Diese kulturellen Unterschiede merkt man ja auch innerhalb Deutschlands: Im Münsterland werden Häuser ohne Klinker gar nicht als richtige Häuser angesehen. In Bayern haben 98 Prozent der Gebäude eine Putzfassade.

Sind wir beim Optimum angekommen?
BS: Aktuell ist das, was wir haben, das Ideal. Aber auch heute tüfteln Ingenieure noch weiter an der Lochung. Wir suchen immer nach neuen Lösungen. Wenn man auf die zurückliegenden 30 Jahre zurückblickt, hat sich einiges in der Produktinnovation getan. Was war damals, als du angefangen hast, das High-End-Produkt?
CZ: Das war der Planziegel-T16 mit 30 Zentimetern. Heute hat man ein noch viel feineres Lochbild, das so ausgeklügelt ist, dass die Wärmedämmung und Tragfähigkeit maximiert sind. Auf einer Messe fragte man mich letztens, ob der ThermoPlan S9 ein Katalysator sei. Es ist faszinierend, wie filigran die Stege im Ziegel heute sind, wenn man bedenkt, durch welche groben Maschinen der Ton gedrückt wird.

Wie wohnen Sie selbst?
BS: Wir wohnen beide in einem Ziegelhaus und wissen daher um den Wohnkomfort im Sommer und Winter.
CZ: Das ist auch eine Frage der Authentizität und der Glaubwürdigkeit. Wenn man selbst in einem Ziegelhaus wohnt, kann man die eigene Erfahrung mitgeben. Es gibt den Spruch: „Wer Lehm angefasst hat, bleibt daran kleben.“ Man hat einfach eine Verbundenheit mit dem Material.