Wachsende Perspektiven für recycelte Ziegel
Für die kommenden Jahrzehnte zeichnet sich eine Wende im Ziegel-Recycling ab – zeitversetzt zum Einsatzbeginn porosierter Lochziegel 1970 und unter Berücksichtigung der Lebensdauer der Häuser. In größerem Umfang werden die Mauerwerke dieses Typs wahrscheinlich erst in mindestens 40 Jahren zurückgebaut. Schon jetzt ebnet die Ziegel-Forschung den Weg für ein effizientes und zukunftsfähiges Recycling dieser Ziegel.

Mauerziegel steigen aufs Dach
Das Institut für Ziegelforschung Essen (IZF) sieht in dem absehbaren Rückbau großes ökologisches Potenzial für unsere Städte der Zukunft. Das Institut erforscht das Recycling von Ziegelbruch als Pflanzsubstrat für Gründächer. Bereits seit einem Dreivierteljahr untersucht es deshalb die chemischen und physikalischen Eigenschaften von Hochlochziegeln: „Rezyklat aus porosierten Ziegeln ist ein wahnsinnig wertvoller Rohstoff. Es wäre schade, wenn dieser im Straßenunterbau verschwände.“ Die Ergebnisse sind bisher vielversprechend: „Es scheint, als könnte der recycelte Hochlochziegel als Pflanzsubstrat alles bieten: Nährstoffe, Wärmedämmung, Drainageschicht, Wasserspeicher und genügend Wurzelraum.“ Noch gut eineinhalb Jahre läuft das Projekt, dann sind umfassende Daten zu erwarten.
Die Städte der Zukunft werden grün
Der Einsatz von effizienten und ressourcenschonenden Substraten auf Gründächern wird in Zukunft immer größere Bedeutung für die Städte- und Quartiersplanung gewinnen. Die bepflanzten Dächer schaffen nicht nur über ihre lebendige Optik Lebensqualität und bieten Lebensraum für zahlreiche Tierarten. Auch im Hinblick auf das urbane Mikroklima können sie einen positiven Effekt haben. Dabei geht es nicht nur um die CO2-Bindung durch Pflanzen, sondern auch um ihre Leistung als Kaltluftproduzenten über Verdunstung. So kann das Klima spür- und messbar verbessert werden.
Gründach-Nachfrage gedeckt durch Ziegelrezyklat-Angebot
Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass Neubauten immer häufiger an die Bedingung der Begrünung geknüpft werden, und Bezuschussungen für Gründächer steigen rasant. Der Grund: Begrünte Dachflächen werden bei der Berechnung der Niederschlagsgebühren als Entsiegelungsmaßnahme gewertet, so dass sie den Städten Geld einsparen können. Aktuell wird das überwiegende Pflanzsubstrat aus natürlichen Stoffen wie Blähton, Lava und Bims hergestellt. Das ist ökobilanziell nachteilig – insbesondere da durch unser Baugewerbe bereits genügend Stoffe im Umlauf sind, so dass keine weiteren Rohstoffe abgebaut werden müssten. Einige Ziegler liefern ihren Ziegelbruch bereits an Substrathersteller. In Zukunft wird sowohl der Bedarf an Substrat für die steigende Zahl als Gründächern wachsen als auch der Anteil von Hochlochziegelbruch aus Rückbauten. Eine klassische Win-Win-Situation.
Der Ziegel bleibt auch im zweiten Leben ein Multitalent
Moderne Hochlochziegel haben durch die Porosierung – die eigentlich den feuchtigkeitsregulierenden und wärmedämmenden Eigenschaften der Ziegel im Bau dient – auch einen positiven Nebeneffekt in der Nachnutzung: Porosierter Ziegel kann mehr Wasser aufnehmen und dieses länger speichern. Außerdem bieten die vielen kleinen Poren den Wurzeln eine größere Oberfläche, um Mineralstoffe aufzunehmen. Moderne Ziegel bilden so einen idealen Nährboden. Die Dämmwirkung der Ziegel bleibt auch in ihrem zweiten Leben erhalten und wird durch die darauf wachsenden Pflanzen noch weiter verstärkt. So reduzieren Gründachaufbauten im Winter Transmissionswärmeverluste. Im Sommer kühlen sie die Gebäude.
Herausforderungen der Bauindustrie
Die Eignung der Ziegelsorten als Pflanzsubstrat variiert: Dach- und Pflasterziegel werden zwar so hoch gebrannt, dass ihre Wasseraufnahmeeigenschaften nicht ausreichen und ihnen weitere Substrate beigemischt werden müssen; dafür sind sie sortenrein. Der Hintermauerziegel besitzt die besseren Eigenschaften und kann als alleinige Substratschicht eingesetzt werden, ist aber (solange es sich nicht um Produktionsabfälle handelt) mit Putz und Mörtel verunreinigt. Die Forschung, die sich mit Trennung und Sortierung beschäftigt, läuft aktuell auf Hochtouren: Eine Kopplung von optischer und Druckluft-Trennung erreicht Werte von 95 Prozent Sortenreinheit. Die Forschungsergebnisse legen nahe, dass diese geringe Menge an Putz und Mörtel keinen Einfluss auf das Pflanzenwachstum hat.
Zukunft für den Ziegel
Der Ziegel hat seit den 70er Jahren seine Ökobilanz bereits enorm verbessert. Die Weiterverwendung als Vegetationssubstrat könnte die des Ziegels und der damit ausgestatteten Gebäude sogar so aufwerten, dass sie nicht nur eine neutrale, sondern sogar positive Ökobilanz erreichen. Entscheidend für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft werden kluge Konzepte, die es ermöglichen, die Ziegel nach ihrer ersten Nutzungsphase in den Wertstoffkreislauf zurückzuführen. Wesentlich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten werden dann weiterentwickelte selektive Abrissverfahren, geeignete Aufbereitungs- und Sortiermethoden sowie Vermarktungspotenziale sein. Forschung und Entwicklung in der Ziegelindustrie orientieren sich auch in Zukunft an den Anforderungen moderner Ziegelbauweisen.


