Der Baustoff der Menschheit
Warum berührt uns Ton emotional? Warum gibt es so viele Kirchen aus Backstein? Warum bringen Menschen Mauersteine als Deko in ihre Innenräume? Warum wählen Modedesigner Ziegelwände als Hintergrund für ihre Fotoshootings? Warum ist Töpfern so hoch im Kurs?
Das Material Ton umgibt eine besondere Atmosphäre. Es ist uns vertraut und strahlt Behaglichkeit aus, steht für Kreativität ebenso wie für Beständigkeit und erzählt als ältester Baustoff die Menschheitsgeschichte. Tonbaustoffe leben mit uns. Seit über 3000 Jahren.


Terrakotta-Armee
Im Jahr 246 v. Chr. begann der Bau des Mausoleums für den ersten chinesischen Kaiser Qin Shihuangdi. 210 v. Chr. wurde der Gründer des Kaiserreiches beigesetzt. Sein Grab ist vor allem für die sogenannte Terrakotta-Armee bekannt, die der Anlage vorgelagert ist. Die circa 8000 Krieger aus Ton sind zwischen 1,85 Meter und 2 Meter groß und wurden bereits im dritten Jahrhundert vor Christus geformt und gebrannt. Das Mausoleum ist seit 1987 UNESCO-Weltkulturerbe.

Ofen aus Backstein
Aufgrund seiner feuerbeständigen Eigenschaften sind gebrannte Ziegel der perfekte Baustoff für Feuerstellen. Massive Kamine dienen zudem als thermischer Speicher und können Wärme über einen langen Zeitraum abgeben.

Tontöpfe zum Kochen
Rund um den Globus haben unterschiedliche Kulturen begonnen, in Tongefäßen zu kochen. Auch wenn es heute Alternativen gibt, behält das Kochen im Römertopf seine Vorteile: das Essen wird schonend gegart und die Aromen bleiben erhalten.

Tajine
Die nordafrikanischen Tajines aus Ton werden bereits in den Geschichten von 1001 Nacht erwähnt.

Tandoor
Der Tandoor-Ofen wird vor allem in der indischen Küche, aber auch in anderen Ländern Mittel- bis Zentralasiens und in Teilen Afrikas genutzt. Das Besondere: Der feuerfeste Behälter wird von allen Seiten beheizt. Zum Backen von Naan oder anderen Brotsorten wird der Teig and die Seitenwände gedrückt.

Barreado
Der brasilianische Eintopf Barreado wird traditionell in einem mit Lehm versiegelten Tontopf gekocht. Die Bezeichnung „Barreado“ leitet sich vom portugiesischen Wort für Ton, barro, ab.

Haniwa
In der Kofun-Zeit (ca. 250-536 n. Chr.) brachten koreanische Einwanderer kulturelle Bräuche mit nach Japan. Die Menschen begannen, Herrscher in Grabhügeln zu bestatten. Haniwa, kunstvoll gestaltete Figuren aus Ton, wurden ihnen als Begleiter ins Jenseits mitgegeben.

Innenwände
Unverputzte Ziegelwände verleihen der Gebäudegeschichte Ausdruck und bringen eine rustikale Wärme in Innenräume.

fotografieKulisse
Ziegelwände sind der Inbegriff des Industrial Styles, der sich die mystische Eleganz von alten Fabrikhallen zu eigen macht.

Venus-Figurinen
Die ältesten keramischen Funde stammen aus Dolní Věstonice, dem heutigen Tschechien. Neben zahlreichen Tierfiguren ist die bekannteste Skulptur die Venus von Dolní Věstonice.

SakralBauten
Das älteste Baumaterial der Menschheit strahlt Ruhe, Vertrautheit und Geborgenheit aus. Die deutliche Botschaft des langlebigen Baustoffs: Dieses Bauwerk ist für die Ewigkeit gebaut.

Dachziegel
Das typische Dach ist schräg und mit Tonziegeln gedeckt. Das hat in Regionen, die stark wechselnden Witterungen ausgesetzt sind, den Vorteil, dass Häuser auch von oben optimal gegen Regen und Feuer geschützt sind. Dazu sind sie von Ziegelrot bis Graphitschwarz und von der Hohlpfanne bis zum Biberschwanz ein vielseitiges Gestaltungselement. Schon die Menschen im antiken Rom bevorzugten Dachziegel aus Ton. Vom lateinischen tegula (lat. tegere = decken) leitet sich unser heutiges Wort Ziegel ab.

Tonrohre
Wasserleitungen aus Ton sind nicht nur umweltfreundlicher als Rohre aus Kunststoff, sie halten auch quasi ewig. Zweckentfremdet sind sie das ideale Weinregal oder Weinkühler!

Mönch und Nonne
Eine der ältesten Ziegelformen hat ihren Ursprung in Klöstern: Ober- und Unterschale – oder Mönch und Nonne – werden ineinander verkeilt übereinander gelegt. Die mediterrane Dachform kommt heute vor allem bei Mauerabdeckungen oder als Dekoration zum Einsatz. (abgebildet nur „Nonnen“)

Ziegelrelief
Die Geschichte der Erde. 1993. Carlo Wenger. Festsaal der Leipfinger-Bader GmbH in Vatersdorf.
Der Keramik-Künstler über das Werk: „Mit dem Ziegel beginnt die menschliche Zivilisation. Aus Lehm baut der Mensch sein Zuhause, sein Haus. Heute beherrscht er die Launen des Materials (fast) ganz – im wahrsten Sinne des Wortes – er machte sich die Erde untertan! [...] Die Schönheit der Erde aufzuzeigen – ich habe es versucht!“

BacksteinSkulpturen
Nicht nur Quader und Würfel sondern auch Rundbögen oder konvexe und konkave Formen lassen sich mit Ziegelsteinen verwirklichen. Diese architektonischen Möglichkeiten übersetzen Künstler immer wieder eindrucksvoll in Skukpturen. Ein Beispiel ist das abgebildete Flurdenkmal in einer renaturierten Tongrube in Marklkofen (GIMA Ziegel).

Skulpturen aus ZiegelRohlingen
Katalin Bereczki-Kossack fertigt seit den 1980er-Jahren im Leipfinger-Bader-Werk in Puttenhausen Skulpturen aus frischgepressten Ziegelrohlingen an. Diese werden anschließend luftgetrocknet und danach im Tunnelofen – gemeinsam mit der regulären Ziegelproduktion – gebrannt.

Insektenhotel
Beim Bau von Nisthilfen gibt es einiges zu beachten, wie zum Beispiel Lochdurchmesser und -tiefe oder die Sonneneinstrahlung. Hohlziegel werten das Bienenhotel nicht nur optisch auf, die Kammern sind auch die perfekte Halterung für Pflanzstängel und Bambusrohre. Außerdem speichern Ziegel Wärme, das mögen Insekten besonders!

Vielfalt in der Forschung
Über die letzten Jahrzehnte hat die Ziegelforschung Form, Lochmuster und Porosierung des Hintermauerziegels so weiterentwickelt, dass Tragfähigkeit, Schall- und Wärmeschutz maximiert werden. Vom Wabenmuster über kreisrunde Löcher bis zum geschosshohen Ziegel sind auf dem Weg dahin viele interessante Exemplare entstanden.

Unverputzt
Architekten verwenden gezielt unverputzte Hintermauerziegel-Wände, um ein „hygge“ Gefühl zu erzeugen. In Dänemark beschreibt es ein bestimmtes Lebensgefühl, eine besondere Atmosphäre, die sich am ehesten mit gemütlich und heimelig übersetzen lässt. Die Reduktion des Designs lenkt den Fokus auf das, was im Leben und beim Wohnen wirklich wichtig ist: die Gefühle und die Momente, die zuhause gelebt werden.

Räume erschaffen
Ziegel schafft Orte, denen eine besondere Macht innewohnt: In vielen Ländern findet man zentrale Plätze, piazze, plazas oder places, die einen Raum für das soziale Miteinander schaffen. Architektonische Räume machen Kultur erlebbar. Mit dem traditionsreichen Material strahlen Orte wie der Piazza del Campo in Siena eine unmittelbare Vertrautheit und Behaglichkeit aus.

Ziegler und Zieglerin
Ein Beruf mit Tradition: Vom 8. bis ins 18. Jahrhundert waren es vor allem Mönchsorden, die für die Verbreitung des Ziegels sorgten. Im 18. Jahrhundert beginnt die Mechanisierung der Ziegeleien. Der Kupferstecher Martin Engelbrecht hat den Beruf des Zieglers etwa 1730 in seiner „Sammlung der mit ihren eigenen Arbeiten und Werkzeugen eingekleideten Künstlern, Handwerkern und Professionen“ verewigt.

Spaceshuttle
Das Feld der keramischen Produkte ist riesig: Sie kommen sogar in der Weltraumtechnik zum Einsatz. Die Hülle des Spaceshuttles ist aus Keramik, da sie wahnsinnig hohen Temperaturen standhalten muss.

Zahnpasta
Auch in unserer Zahnpasta sind kleine Tonpartikel. In dem Fall ist es das weiße Kaolin, das auch Porzellanerde genannt wird. Das natürliche Produkt ist extrem feinkörnig und reinigt sanft. Da Kaolin so gut verträglich ist, eignet es sich auch zur innerlichen Anwendung.