Die Handwerkskunst eines Ziegelwerkes
Wie wird aus dem Rohmaterial Lehm ein Ziegel? Woher kommt die typisch ziegelrote Farbe? Und wie kommen die Löcher in den Ziegel? Michael Kellerer, Geschäftsleiter von ZMK Ziegel, kennt die Antworten. Im Interview mit Bauen mit Ziegel berichtet er von der langen Tradition seines Familienunternehmens und was sich in den letztens 150 Jahren in der Ziegelherstellung verändert hat.

Herr Kellerer, während unserer Kampagne „Ziegel. Das Beste aus Mutter Erde.“ untersuchen wir die emotionalen Seiten des Ziegels. Welches Gefühl verbindet Sie mit Ton?
Jedem ist die Aussage „sich erden“ geläufig. Unter Erdung versteht man, auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben, gute Entscheidungen zu treffen und sich mit der Natur und Menschen zu verbinden. Der Baustoff Lehm verbindet uns seit jeher mit der Geschichte der Menschheit. Bereits vor ca. 10.000 Jahren entstanden die ersten Behausungen mit diesem Baustoff, der heute aufgrund seiner natürlichen, ökologischen Eigenschaften wieder voll im Trend liegt.

Ihre Ziegelei besteht seit 1868 – wie viel hat sich über die letzten Jahrzehnte – oder sogar Jahrhunderte – in der Ziegelherstellung geändert?
Was gleichgeblieben ist: der maximale Anspruch seit über 150 Jahren. Wir produzieren seit 1868 in Oberweikertshofen Ziegel aus den Rohstoffen der Natur. Wenn wir auf unser familiengeführtes Unternehmen in der fünften Generation blicken, ist aus den Anfängen des Unternehmens heute ein Hightech-Unternehmen geworden. Der eigentliche Prozess der Herstellung und des Brennens ist immer noch der Gleiche. Doch die Ansprüche an den Ziegel sind natürlich gestiegen. Die durchdachte Rezeptur des Lehms und ein ausgefeiltes Lochbild sorgen für unterschiedliche bauphysikalische Eigenschaften. Die Herstellung ist heute vollständig automatisiert und die Maschinen sind miteinander vernetzt. Dies stellt neben der Effizienz eine höchstmögliche, gleichbleibende Qualität sicher.
Wenn man an Ziegel denkt, denkt man an rotes Terrakotta – auf den Herstellungsfotos sieht der Ton aber grünlich-grau aus. Wie kommt das?
Ein Ziegel kann ganz unterschiedliche Farben haben. Die Farbe ist abhängig vom verwendeten Ton und dessen Inhaltsstoffen. Dazu gehören Mineralstoffe oder Sandsorten, die die Farbe beeinflussen. Das im Ton enthaltene Eisenoxid ist eines der wichtigsten farbgebenden Mineralien im Ton. Es sorgt beim Brennen für die typische rote Farbe der Ziegel. So kann es sein, dass ein Ziegelrohling vor dem Brennen eher grünlich erscheint und nach dem Brennen die typisch rote Farbe annimmt. Ein kalkhaltiger Ton enthält mehr Kalk und sorgt für eine gelbe Färbung. Das Vorhandensein von Manganoxid sorgt für braune Ziegel.


Wie sieht der Ablauf der Herstellung aus?
Das grobe Material aus den Tongruben wird nach der Zwischenlagerung auf dem Firmengelände über sogenannte Kastenbeschicker auf Förderbänder gebracht. Über diese Bänder gelangen unterschiedliche Tone und Porosierungsmittel zum Kollergang und weiter zu den Walzwerken, dem sogenannten Walzwerk. Jedes Endprodukt besitzt eine individuelle Zusammensetzung, eine eigene Rezeptur. Porosierungsmittel sind z. B. Zellulosefasern oder Sägemehl. Sie verbrennen später vollständig und sorgen für kleine luftgefüllte Hohlräume, den Poren im Ziegel. Diese sorgen für eine hohe Wärmedämmung des Ziegels. (Anm. vgl. Unterseite Raumklima). Das fertige Rohmaterial wird in Großraumbeschickern für die weitere Produktion vorgehalten.
Weiter geht es zur Formgebung. Wie der Name schon sagt, erhält hier der Ziegel seine jeweilige Form. Das Material wird mit hohem Druck durch die sogenannte Strangpresse gepresst. Das individuelle Lochbild eines Ziegels ergibt sich durch eine Form, dem sogenannten Mundstück am Pressenausgang. Es entsteht ein Endlosstrang, welcher maschinell mit dem Abschneider zu einzelnen Ziegeln geschnitten wird. Noch vor dem Schneiden erhält der Ziegel eine Signatur, die jeden Ziegel mit Hersteller und Eigenschaft kennzeichnet.


Nun geht es ab zum Trocknen: 24 Stunden bleiben die Ziegel in der Trocknungsanlage, die mit der Abwärme des Brennofens beheizt wird. Dabei entweicht reiner Wasserdampf. Sind die Ziegel ausreichend getrocknet, werden sie auf spezielle Ofenwägen umgesetzt und durchlaufen anschließend im Tunnelofen den Brennvorgang bei etwa 950 Grad. Der eigentliche Brennvorgang dauert etwa 24 Stunden. Sind die Ziegel fertig gebrannt und abgekühlt, werden sie plangeschliffen und, je nach Ziegeltyp, zusätzlich mit Dämmstoff gefüllt, auf Paletten gestapelt und erhalten eine Schutzfolie für den Transport und gegen Feuchtigkeit auf der Baustelle. Derzeit haben wir ca. 100 verschiedene Formate lagernd.
Welche Verfüllungen verwenden Sie für die zusätzliche Wärmedämmung?
In heutigen Zeiten steigen die Anforderungen an energieeffizientes und klimabewusstes Bauen stetig. Um diesen gerecht zu werden haben wir mehrere Jahre an einem Füllmaterial zur optimalen Dämmung unserer Ziegel geforscht. Entstanden ist die AdPor®-Füllung: Das auf graphitbeschichtetem, expandiertem Polystyrol basierende Material überzeugt durch seine hervorragende Dämmleistung und ist absolut schadstofffrei. Es steht daher ganz besonders für wohngesundes Bauen.


Sie haben auch eine eigene Recyclinganlage – wie kam es dazu?
Der spezielle Prozess, mit dem das Polystyrol in den Ziegel eingebracht wird, sorgt später auch dafür, dass es zu 100 Prozent recycelt werden kann. Ein verantwortungsvoller Hersteller hat heute die Aufgabe, Produkte zu entwickeln, die sich wiederverwerten lassen. Es wird erwartet, dass er von der Materialbeschaffung bis hin zur Wiederaufbereitung seiner Produkte die komplette Verantwortung übernimmt. Den gesamten Prozess, vom Abtransport, sortenreiner Trennung von Ziegel und Füllmaterial und Wiedereingliederung in den Produktionskreislauf haben wir an unserem Standort nachhaltig gelöst: In Oberweikertshofen steht der Prototyp und die weltweit erste und modernste Recyclinganlage für unsere gefüllten Ziegel. Sie versetzt uns in die Lage, Schnittreste der Ziegel zurückzunehmen, keramischen Ziegelanteil und Füllung sortenrein zu trennen und die entstehenden Wertstoffe zu hundert Prozent wiederzuverwerten.